Für All-In ist es noch zu früh - Frank Fischer Kolumne

Für All-In ist es noch zu früh!

So richtig überraschend kam der russische Angriff auf die Ukraine eigentlich nicht. Doch Putin hat mit seinem Einmarsch die Kurse an den Börsen regelrecht abstürzen lassen. Folgt man dem gängigen Muster, so ist das eigentlich eine gute Gelegenheit für kühle Rechner jetzt wieder einzusteigen. Denn die Anleger werden von Angst getrieben. Man hatte den Eindruck „Alles muss raus!“ Der Dax sackte nach dem Angriff um bis zu 5,5 Prozent ab. Auch Dow Jones und der S&P 500 gaben zuerst nach. Da werden dann auch Aktien verkauft, die mit dem Krieg in der Ukraine nichts tun haben. Doch: Ist es schon die Zeit „all in“ zu gehen? Wir glauben nicht.

Der Markt muss, so scheint es, erst noch die großen Zusammenhänge analysieren. Energie wird teurer. Die Öl- und vor allem Gaspreise sind geradezu explodiert. Dadurch, so erste Berechnungen, wird die Inflationsrate in Deutschland auf die Marke von 6 Prozent klettern. Was machen dann die Notenbanken? Müssen sie schneller und stärker die Zinsen anheben als geplant? Das gilt vor allem für die EZB. Die Fed hat ihre nächsten Schritte ja bereits vor Wochen offengelegt.

Zwar sind die direkten wirtschaftlichen Folgen von Putins Invasion für die westliche Wirtschaft überschaubar, da die Verflechtungen mit Russland recht gering sind. Keine zwei Prozent der deutschen Exporte gehen nach Russland. Doch die Unsicherheit über die Dauer und das Ausmaß dieses Krieges ist sehr groß – und Unsicherheit ist Gift für die Konjunktur, die Börse und damit auch für die Investoren.

 

Es ist noch keine Panik im Markt

 

Die Angst wird den Markt also noch eine Weile begleiten. Doch – und das ist für uns sehr wichtig - es ist noch keine Panik erkennbar. Das signalisiert auch unser Mr. Market-Cockpit, das wir entwickelt haben. Es zeigt die aktuelle Stimmungslage an den Finanzmärkten in Europa oder den USA. Im Gegensatz zum bekannten Fear & Greed-Index des US-Nachrichtensenders CNN, fließen bei uns noch andere Indikatoren ein, die ein sehr gutes Bild zur aktuellen Marktlage liefern. Während der CNN-Index die Marktbreite an der Börse in New York, das Momentum des S&P 500-Index oder auch das Verhältnis der Put- und Call-Optionen an der Wall Street betrachtet, fließen bei uns unter anderem noch Sentiment, Fundamentaldaten und Trendfolge mit ein. Unsere Indikatoren pendeln zwischen rotem und grünem Bereich, wo sie extreme Angst oder extreme Gier anzeigen können. Und trotz Krieg, Inflation, steigenden Zinsen und anderen belastenden Faktoren liegt auch der Fear & Greed-Index noch nicht am Boden. Von Panik kann also noch nicht die Rede sein. Wir erwarten, dass dies erst frühestens Mitte März geschehen wird.

 

Konzentration aufs Stock Picking

 

Und dann „all in“? Aus unserer Sicht „nein“. Wir konzentrieren uns auch dann auf unsere „wunderbaren Unternehmen“, die wir aber günstiger einkaufen können, wenn die Angst der anderen Anleger am größten ist. Das sind Qualitätsunternehmen, die langfristig am Markt agieren und, wie wir es nennen, ein „Beautiful Business“ haben. Nach unserem Verständnis verfügen solche Qualitätsunternehmen über eine starke Marktposition und enorme Finanzkraft, sowie einen sogenannten „wirtschaftlichen Burggraben“. Dieser steht für strukturelle Wettbewerbsvorteile, die hohe Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber setzen. Dadurch erzielen diese Unternehmen hohe und weiterhin wachsende Kapitalrenditen. Alphabet, die Muttergesellschaft von Google, ist ein solches Unternehmen. Aber auch Amazon oder das Schweizer Pharmaunternehmen Hoffmann-La Roche. Und natürlich secunet, Cybersecurity ist mehr denn je gefragt. Sie wachsen seit Jahren, sind hoch-innovativ und gleichzeitig sehr profitabel. Wenn wir solche Aktien günstig einkaufen können, dann ist das ein Gewinn für unsere Anleger.

Solche Unternehmen werden auch den Krieg in der Ukraine überleben. Außerdem muss man bedenken: Bei den meisten großen Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg haben die Märkte nur kurz geschwankt und begrenzt nachgegeben. Danach kehren sie in der Regel schnell wieder auf den alten Weg zurück. Dass dieser im jetzigen Umfeld nicht gerade berauschend ist, steht wohl außer Frage. Die Ära des leichtverdienten Geldes an der Börse scheint erstmal für eine Weile vorbei. Es ist die Zeit der Stock-Picker. Darauf haben wir uns eingestellt.

 

Frank Fischer

Frank Fischer

Frank Fischer, Jahrgang 1964, ist Vorstandvorsitzender (CEO) der Shareholder Value Management AG und übt dort die Funktion des Chief Investment Officers (CIO) aus. Außerdem ist Frank Fischer Vorstandsmitglied der Shareholder Value Beteiligungen AG. Bis Ende 2005 war Frank Fischer als Geschäftsführer von Standard & Poor´s Fund Services (vormals Micropal GmbH) zuständig für Investmentfonds-Informationen und -Ratings.