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Die Rezession kommt: Der Krisen-Sommer an der Börse

Der Sommer ist da und verwöhnt uns mit schönem Wetter. An den Börsen hat sich die Stimmung auch aufgehellt – eine Sommerrallye scheint möglich. Von den Tiefs Mitte Juni haben sich die Indizes zumindest schon einmal deutlich abgesetzt. Tatsächlich erleben wir in diesen Tagen eine technische Gegenreaktion auf diese massiven Rückgänge. Kann sich dieser Trend aber im Umfeld aus Zinserhöhungen, kommender Energiekrise und Rezession noch weiter fortsetzen?

Manchmal reicht es eben aus, wenn die Dinge wie erwartet ablaufen. Das liefert dann den kurzfristigen Impuls für die Finanzmärkte. So ist es jetzt mit der Zinserhöhung durch die EZB geschehen. Erstmals seit 2011 haben die europäischen Währungshüter aktuell die Zinsen angehoben. Bei der Anhebung von immerhin 50 Basispunkten von einem historischen Schritt zu sprechen mag übertrieben sein. Doch immerhin ändert sich jetzt grundsätzlich der geldpolitische Kurs in der Euro-Zone.

Wie immer bei solchen Maßnahmen geht der Blick nun auf die weitere Entwicklung. Wird also die EZB in den nächsten Monaten diesen Pfad weiter beschreiten und die Zinsen in der Euro-Zone stetig anheben? Die Einschätzung vieler Marktteilnehmer lässt das erwarten. Für die nächste EZB-Sitzung sehen viele Experten eine weitere Zinserhöhung kommen und dann sogar um 75 Basispunkte. Für Oktober und Dezember sind jeweils weitere 25 Basispunkte möglich. Das dann erreichte Niveau von 1,25 Prozent ist dann wohl erst einmal ein Plateau. Entscheidend wird sicherlich die weitere Entwicklung in Italien sein. Die aktuelle politische Instabilität hat zu einer deutlichen Ausweitung des Rendite-Spreads von deutschen und italienischen Anleihen geführt. Der Spread beträgt jetzt schon 236 Basispunkte und zeigt die großen Unterschiede in der Einschätzung der wirtschaftlichen Stabilität Deutschlands und Italiens klar auf.

 

Noch fließt das Gas aus Russland

 

Gleichzeitig gibt es noch Entlastung durch die wieder laufende Gasversorgung mit der Nord Stream 1-Pipeline. Hier ist der drohende Gasnotstand vorerst abgewendet worden – auch wenn wohl erst einmal nur 20 Prozent des möglichen Volumens geliefert werden. Aber grundsätzlich gilt für die Gasversorgung bei uns: Ein kompletter Lieferstopp aus Russland ist immer noch möglich. Das sorgt ironischerweise derzeit für eine massiv steigende Nachfrage nach mobilen Elektroheizungen für das eigene Zuhause in Erwartung kalter Herbst- und Wintertage. Ausgerechnet an den heißesten Tagen des Jahres sind es nicht die Klimageräte, die kaum lieferbar sind, sondern vielmehr die Heizgeräte. Hier ist schon erkennbar, was über zwei Jahre Krise von Corona über Ukraine-Krieg bei den Verbrauchern ausgelöst haben: Mittlerweile werden die möglichen Gefahren früher erkannt und dann entsprechend vorgesorgt.

Doch zurück zur Börse: Hier bleibt das weitere Potential überschaubar – eben auf eine Sommerrallye. Ein massiver Stimmungsumschwung braucht jedoch Auslöser. Dazu kann ohne Frage eine Lösung im Ukraine-Krieg gehören. Hinzu kommt eine denkbare Entspannung bei der Inflation, die derzeit ebenfalls noch nicht erkennbar ist. Gleichzeitig müssten sich auch die konjunkturellen Erwartungen wieder klar verbessern. Dieses Signal ist aktuell nicht erkennbar. Zuletzt waren die Konjunkturerwartungen für die Euro-Zone und speziell auch für Deutschland wieder deutlich abgesackt. Bei den entsprechenden Umfragen wird der Blick auf die Konjunktur in 6 Monaten gerichtet. Hier sind die Erwartungen zuletzt noch einmal eingebrochen und erreichen jetzt ein Niveau wie zum Höhepunkt der globalen Finanzkrise.

 

Stimmung ist schlechter als zur globalen Finanzkrise

 

Dies ist ein gutes Stichwort – denn viele Stimmungsindikatoren notieren aktuell auf Niveaus wie zuletzt während der Finanzkrise 2008/2009. Das gibt auch die aktuelle BofA Umfrage „Global Fund Manager Survey“ wieder. Hierbei werden einige hundert Fondsmanager zu ihrer Einschätzung befragt. Das Ergebnis war im Juli wirklich ernüchternd. Der Bericht steht unter dem Motto: „Wir sind so bearish, das ist schon wieder bullish.“

Tatsächlich sind einige Einschätzungen sogar auf historischen Tiefständen und damit noch niedriger als zur globalen Finanzkrise. Besonders im Fokus steht immer der Cashbestand der globalen Fondsmanager. Das ist ein gutes Risikomaß. Liegt der Wert hoch, gehen die Fondsmanager ein geringes Risiko ein. Genau das ist derzeit der Fall. Mit einer Cash-Quote von 6,1 Prozent erreicht dieser Faktor den höchsten Wert seit Oktober 2001.

Der Blick auf die Bilanzen der Unternehmen ist ernüchternd. So notiert die Erwartung für eine Verbesserung der weltweiten Gewinne nach Einschätzung der globalen Fondsmanager derzeit auf einem Allzeittief. Damit liegen die Gewinnerwartungen noch niedriger als zum Höhepunkt der globalen Finanzkrise 2008/2009. Das Gleiche gilt auch für die globalen Wachstumserwartungen. Auch die fallen auf ein Allzeittief und damit ist auch erklärbar, warum die Aktienquote bei den globalen Managern insgesamt derzeit eher niedrig ausfällt. Tatsächlich ist der Anteil der Fondsmanager, die derzeit Aktien übergewichten so gering wie zuletzt zur globalen Finanzkrise im Oktober 2008.

 

Die Rezession ist da

 

Die Gefahr einer Rezession sehen wir schon seit März dieses Jahres. Nun ist deren Eintritt Konsens und man kann sagen, dass die Rezession eingepreist ist. Bei einem vergleichbaren Stimmungsbild im April 2020 und auch im März 2009 erlebten wir die Wendepunkte an den Aktienmärkten und danach ging 2009 stetig und im Jahr 2020 sogar kurzfristig kräftig nach oben.

Die Rezession wird sich in der Euro-Zone und sehr wahrscheinlich auch in den USA schon bald manifestieren. In wenigen Tagen erscheinen die ersten Schätzungen zum Wirtschaftswachstum in den USA im zweiten Quartal. Laut der Nowcast-Vorhersage der Atlanta Fed ist die US-Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um 1,6 Prozent zurückgegangen. Nach dem Rückgang von 1,5 Prozent im ersten Quartal wäre damit die Rezession bestätigt, die bei zwei Quartalen in Folge mit negativen Wachstumsraten vorliegt.

In den kommenden Wochen rückt die Berichtssaison der Unternehmen immer stärker in den Fokus. Positive Überraschungen sind selten – das hat schon der Anfang gezeigt. Der Fokus richtet sich ganz klar auf die Ausblicke. Selbst wenn die aktuellen Bilanzen den Erwartungen entsprechen oder sogar darüber liegen, werden schwächere Ausblicke in vielen Fällen abgestraft.

Ein spannendes Beispiel ist hier ganz aktuell Ryanair. Der Billigflieger hat zwar mit den aktuellen Zahlen überzeugt und konsequenter Weise zog der Aktienkurs an. Doch schon kurze Zeit später drehte die Stimmung wieder. Dann machten sich Befürchtungen breit, wonach es eben bei einer Rezession auch gut möglich sein könnte, dass die Verbraucher insgesamt weniger fliegen könnten, da das Geld eben nicht mehr so locker sitzt. Und in diesem Stimmungsumfeld sind keine großen Kurssprünge an den Börsen zu erwarten.

 

Fazit: Jahres-Tiefstände können noch vor uns liegen

 

Ein Blick auf Apple zeigt jedoch, was aktuell möglich ist: Die US-Tech-Aktie stieg innerhalb eines Monats um 20 Prozent. Nun rückt die 200-Tage-Linie wieder in den Fokus. Ein Überwinden dieser Marke wäre ein positives Signal, denn wenn Aktien darüber notieren, wird das als Aufwärtstrend angesehen. Dennoch notieren die maßgeblichen Indizes alle noch unter der 200-Tage-Linie und damit haben die breiten Aktienmärkte den übergeordneten Abwärtstrend noch nicht verlassen. Bei dem angespannten Umfeld aus weiteren Zinserhöhungen, kommender Energiekrise und anstehender Rezession ist es auch gut möglich, dass wir die Tiefstände an den Börsen bisher noch nicht gesehen haben.

 

Heiko Böhmer

Heiko Böhmer

Heiko Böhmer verfügt über mehr als 20 Jahre Finanzmarkterfahrung. Als Kapitalmarktstratege bei Shareholder Value Management zeigt er, wie wirtschaftliche Entwicklungen und Anlagetrends zusammenhängen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den Einzeltiteln und den Aktienstrategien von Shareholder Value Management.