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„Die planetare Klimakrise“ steht an erster Stelle – auch bei immer mehr Investoren

Geschrieben von Heiko Böhmer | Dienstag, 4.10.2022

Bei Ex-Außenmister Joschka Fischer steht „die planetare Klimakrise an erster Stelle“. Und auch bei immer mehr Investoren steht das Thema Nachhaltigkeit bei der Geldanlage im Fokus. Wir bei Shareholder Value Management vertreten schon seit 2014 einen nachhaltigen Ansatz bei unseren Mandaten (Zu Nachhaltigkeit bei Shareholder Value). Doch wo geht die Reise hin und ist Nachhaltigkeit vielleicht nicht doch nur ein Trend, der wieder vergeht? Auf diese und viele weitere Fragen lieferten Joschka Fischer und andere Experten auf dem Sustainability Congress 2022 die Antworten.

Schon seit 2005 liegt das Thema Nachhaltigkeit dem Fondsprofi Björn Drescher am Herzen. Und mit Joschka Fischer hatte der von Drescher veranstaltete Sustainability Congress 2022 in Bonn auch einen prominenten Schirmherrn, der die Veranstaltung gleich mit einigen Gedanken zum aktuellen Umfeld eröffnete.

Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortet Fischer derzeit: „Persönlich gut - aber insgesamt ist die Welt doch in Unordnung und wir erleben gleich multiple Krisenszenarien.“ Das bringt ihn schnell dazu, seine Nachfolger in der aktuellen Bundesregierung nun wirklich nicht um ihre anspruchsvolle Aufgabe zu beneiden.

Bei all seinen Verwandlungen in den vergangenen Jahren hat Fischer doch seinen grünen Kern bewahrt, wenn er sagt: „Die planetare Klimakrise steht bei mir an erster Stelle.“ Doch als ob das nicht schon genug wäre, habe zuletzt der Ukraine-Krieg noch einmal die Krise verschärft. „Macht geht jetzt vor Recht“, fasste Fischer das aktuelle Vorgehen von Wladimir Putin zusammen. Für Fischer entsteht damit eine Situation, die er in seinem Leben noch nicht erlebt hat. Und der ehemalige Außenminister und Vizekanzler wird im kommenden Jahr immerhin schon 75.

Aus dem aktuellen Krieg und der neuen Frontstellung in Europa ergebe sich nun aber ein klarer Auftrag an Deutschland: „Wir müssen jetzt massiv in erneuerbare Energie investieren.“ Positiv bewertet Fischer dabei, dass Investoren „in der Regel risikoaffin sind und so die Zukunft mitgestalten können.“ Wenn also der Trend zur alternativen Energie ordentliche Renditen verspräche, dann würden auch immer mehr Investoren mit an Bord sein. Grundsätzlich fasste Fischer seine Aussichten, dann doch noch optimistisch zusammen: „Zwar wird die Zukunft schwierig sein, aber gleichzeitig auch viele Chancen bieten und das Nutzen dieser Chancen wird sich lohnen.“

 

Ex-Außenminister Joschka Fischer und weitere Experten auf dem Sustainability Congress 2022 Ende September in Bonn.

 

Viele Herausforderungen bei der Umsetzung der EU-Regulatorik

 

In der folgenden Podiumsdiskussion brachte es Prof. Dr. Christian Klein, Professor für Sustainable Finance an der Universität Kassel auf den Punkt: „Wir müssen jetzt viel tun – sonst ist es zu spät.“ Der Boden für eine massive Ausweitung nachhaltiger Investments ist bereitet – darauf wies Sabine Pex, Referatsleiterin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) hin: „Die aktuell geltende EU-Regulatorik (Zum Beitrag: ESG und Nachhaltigkeit in der Finanzberatung in 30 Minuten zusammengefasst) ist zwar extrem schwierig in der Umsetzung, aber es ist immerhin ein großer strategischer Aufschlag gewesen. Das kann sich zu einem Asset für den Standort Europa entwickeln.“
Für Dr. Hans-Jörg Naumer, Director Global Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors, ist dabei vor allem Tempo wichtig: „Wir brauchen eine höhere Schlagzahl gegen den Klimawandel.“ Dabei sollten aber der Wachstumspfad nicht verlassen werden, sondern man müsse Platz für ein „Grünes Wachstum“ schaffen. Gleichzeitig sieht Naumer die Transformation nur dann auf einem erfolgreichen Weg, wenn die Investitionen mit einem Fokus auf „Finance for future“ eingesetzt werden.
Bei all den Gedanken zur Abwendung der Folgen des Klimawandels spielt auch die uns verbleibende Zeit eine wichtige Rolle. Joschka Fischer hält hierbei einen Zeitraum von 10 Jahren zwar für realistisch. „Aber das ist wirklich wenig und ich empfinde das als bedrohlich.“
Mit viel Hoffnung, und einigen steilen Thesen, blickte Prof. Klein in die Zukunft. So hält er es für gut möglich, mit Investments die Welt zu retten und dabei noch eine Überrendite zu erzielen. Er geht davon aus, dass es bald nur noch nachhaltige Investments geben wird.

Hohe Energiepreise: Wie werden wir mit dem Wohlstandsverlust umgehen?

 

Doch spätestens seit dem massiven Anstieg der Energiepreise ist klar: Die Kosten für eine nachhaltige Lebensweise werden bei uns zu einem Wohlstandsverlust führen. Genau hier ist die Politik gefordert, das der Bevölkerung klar zu kommunizieren. Entscheidend für den Erfolg werden Mehrheiten in der Bevölkerung sein, die vom Sinn der Nachhaltigkeit überzeugt sind. Aktuell ist Energiesparen erst nach dem Wahnsinn durch den Angriffskrieg von Wladimir Putin in Deutschland auf dem Weg zum Volkssport.

Nachhaltigkeit hat dabei die Nische verlassen. Es ist nicht einfach nur ein Trend für die Investmentbranche, der wieder vorbeigehen wird. Wir werden in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten eine massive Transformation der Weltwirtschaft erleben. Diese Umgestaltung wird Gewinner und Verlierer hervorbringen. Deutschland kann zu den Gewinnern gehören, denn in der Branche Umwelttechnik weist Deutschland immerhin einen Weltmarktanteil von 14 Prozent auf – das haben die Experten von McKinsey in einer Studie festgestellt. In der Innovation liegt ohne Frage eine große Chance der Nachhaltigkeit. Auch hierzu hat McKinsey Zahlen geliefert: 80 Prozent der Innovationen, um den Kampf gegen den Klimawandel zu gewinnen liegen schon vor.

Mir gefällt ein Gedanke des Kongresses besonders gut: Dass wir in einigen Jahren gar nicht mehr von der Unterscheidung in nachhaltige Investments oder nicht nachhaltige Investments sprechen werden – weil es eben nur noch nachhaltige Investments geben wird. Sicherlich ist das derzeit noch Zukunftsmusik. Doch bei diesem großen Themenkomplex und der Transformation hin zu einer grünen Wirtschaft müssen wir sowieso in größeren zeitlichen Maßstäben denken.