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Frank Fischer hat Shareholder Value Management vom klassischen Value-Ansatz in Richtung „Modern Value“ gedreht – eine Reise mit Reibungsverlusten, Stilbruch und Teamumbau. Im Interview erklärt er, warum das kein ganz einfacher Weg war
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Frank Fischer investiert seit über vier Jahrzehnten und sagt: Klassisches Value funktioniert – aber es gibt etwas Besseres. Gemeint sind „wunderbare Firmen“ mit Burggraben, hoher Kapitalrendite und verlässlicher Kultur. Inspiriert von Charlie Munger und Warren Buffett hat Fischer den Fokus von Small und Micro Caps schrittweise auf Qualitätsführer mit aus-reichender Liquidität verlagert. Das brachte einen Stilwandel, Verunsicherung bei Anlegern und einen tiefgreifenden Umbau des Teams. Zwischen 2017 und 2020 wurden viele Prozesse neu aufgesetzt. Im Gespräch erklärt Fischer, warum er überzeugt ist, den richtigen Weg gewählt zu haben.
»Die Weichen haben wir 2017 gestellt, durch waren wir 2022.«
Frank Fischer, Shareholder Value
Shareholder Value Management hat über die vergangenen Jahre einen deutlichen Strategiewechsel vollzogen, der das Team, Produkte und Investorenbeziehungen durcheinandergewirbelt hat. Wie kam es dazu?
Frank Fischer: Weil ich seit über 40 Jahren im Geschäft bin und wir uns weiterentwickeln mussten. Ich wollte zeigen, wie vielversprechend die Weiterentwicklung des klassischen Value Investings ist. Wenn es einem Value-Investor gelingt, die Qualitätsaktien zu verstehen, dann kann er den Trick anwenden, von dem Charlie Munger auch Warren Buffett überzeugt hat. Klassisches Value funktioniert, aber es gibt etwas Besseres – schwieriger, doch lohnender: die „wunderbaren Firmen“, wie Buffett sagt. Gemeint sind Unternehmen mit spezifischen Charakteristika, die man akademisch dem Quality-Faktor zuordnen könnte. Entscheidend ist die Qualität der Firma – das habe ich früh gelernt.
Was genau unterscheidet „Modern Value“ von klassischem Value?
Klassisches Value ist preisgetrieben: niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), Asset-Werte. „Modern Value“ fokussiert Qualität: hohe und stabile Kapitalrenditen als Hinweis auf strukturelle Wettbewerbsvorteile, Burggräben, herausragende Kultur und Fähigkeiten in der Kapitalallokation. Wir grenzen uns klar von Growth ab, denn wir achten sehr auf den Preis und teilen mit dem klassischen Value Investing die Sicherheitsmarge – nur suchen wir sie bei hochwertigen Geschäftsmodellen.
Wann begann der Umbau – und wann war er abgeschlossen?
Die Weichen haben wir 2017 gestellt, durch waren wir 2022. Wir haben 2020 einen Index als Proof of Concept gestartet und wollten darauf einen ETF lancieren. Durch Covid und die Koordination vieler Outsourcing-Verträge verzögerte sich der Start des Frankfurter UCITS-ETF – Modern Value bis Mitte 2022. Parallel begannen wir, den Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen schrittweise umzubauen: Heute machen große Mid und Large Caps zirka 80 Prozent aus, Nebenwerte nur noch 20 Prozent – bewusst, aber limitiert.
»Bis manche klassische Value-Ideen aufgehen, dauert es
manchmal so lange, dass Investoren den Nerv verlieren.«
Dieser Kurswechsel von Micro Caps zu Quality Leadern war ein Stilbruch. Wie haben die Anleger reagiert?
Man sah bei Morningstar klar den „Style Drift“ – das verunsicherte. Es gab Rückflüsse, denn viele hatten uns explizit für unsere Small- und Micro-Cap-Expertise gekauft. Hinzu kommt: Bis manche klassische Value-Ideen aufgehen, dauert es manchmal so lange, dass Investoren den Nerv verlieren. Bei Qualitätsaktien habe ich diese Geduldsprobe oft nicht – das haben schon Munger und Buffett erkannt.
Gab es damals auch internen Widerstand?
Ja. Einige Kollegen kamen aus dem Small-/Micro-Cap-Bereich – sie wollten den Wandel nicht wirklich mittragen. Am Ende blieb von einem über zehnköpfigen Ursprungsteam nicht viel übrig; einige verließen uns, zwei kehrten später zurück. Der Umbau war schmerzhaft, aber notwendig.
Sieht man sich die diesjährige Entwicklung des Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen an, zeigt sich, dass der Small-Cap-Anteil die Performance belastet hat. Wie passt das mit dem angeblichen Stilwechsel zusammen?
Wir halten immer noch einen Anteil von 20 Prozent Small Caps im Fonds, das haben wir natürlich gemerkt. Aktuell haben wir eine Aktienquote von knapp unter 80 Prozent. Ich habe aber viele Ideen, wo ich gern zukaufen würde. Wir pflegen eine tolle Watchlist mit 100 Titeln, die wirklich tief recherchiert und investierbar sind. Weitere 150 Titel beobachten wir.
Im Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen könnten Sie bis zu 40 Prozent Cash und in Kurzläufern halten. Im Ernstfall könnten Sie das Risiko also deutlich minimieren. Welche Signale wären dabei ausschlaggebend?
Wir haben natürlich ein Risikomanagement und nutzen Marktsignale, aber mit Verzögerung. Indikatoren wie das Hindenburg-Omen, der McClellan-Oszillator und High-Yield-Spreads sind dabei wesentlich. Kürzlich hatten wir ein klares Signal – dann kam die Kehrtwende durch die US-Geldpolitik und negierte die Signale. Wir reagierten aber nicht sofort auf das Signal. Unsere Lehre daraus: Nicht sofort handeln, sondern schrittweise vorgehen.
Wie entwickelt sich der Frankfurter UCITSETF – Modern Value? Sehen Sie bereits mehr
Nachfrage als im Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen?
Netto treten wir beim Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen noch auf der Stelle: Zuflüsse steigen, Abflüsse sinken, aber der Saldo ist noch leicht negativ. Im Publikumsfondsgeschäft rotieren jährlich etwa 20 Prozent der Assets – das muss durch neue Mittel oder Performance überkompensiert werden. Aktuell verwaltet der Fonds zirka 770 Millionen Euro, und ich gehe davon aus, dass wir im kommenden Jahr wieder in den positiven Nettobereich drehen. Der Frankfurter UCITS-ETF – Modern Value hilft deutlich in der Distribution, besonders bei Jüngeren und Plattformen; große Tickets brauchen hier aber Zeit. Der ETF läuft sehr gut, wir sehen entsprechendes Interesse am Produkt, und die Leute wollen uns alle sehen. Mit aktuell knapp 80 Millionen Euro sind wir für viele größere Investoren aber noch zu klein. Die nehmen uns zwar auf die Watchlist, wollen aber abwarten, bis wir über der Marke von 100 Millionen Euro sind, obwohl die Performance sehr gut ist.
Wie steht es um die Performance der beiden Fonds?
Der Frankfurter UCITS-ETF – Modern Value kommt seit dem Start vor rund dreieinhalb Jahren auf gut 15 Prozent per annum, der Index in rund fünfeinhalb Jahren auf über 14 Prozent im Jahr. Der Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen liegt seit Jahresbeginn bei etwa zehn Prozent, während Wettbewerber teils nahe null sind. Dies zeigt auch den Erfolg
des Strategiewechsels. Gegen den MSCI World haben wir 2024 ordentlich outperformt, trotz vieler Sektorausschlüsse.
»ESG ist für uns kein Marketing, sondern Risiko-
steuerung – auch wenn es medial zyklisch ist.«
Apropos Ausschlüsse: Ihr ESG-Ansatz steht seit 2014. Bleibt das so?
Ja: Keine Rüstung, keine Pornografie, kein Öl- und Gas-Fracking, kein Mining. Ich habe die Berkshire-Aktie verkauft, weil das Exposure aufgrund der Fracking Investments des Unternehmens nicht mehr zu unseren Kriterien passte. ESG ist für uns kein Marketing, sondern Teil der Risikosteuerung – auch wenn es medial zyklisch ist. Es wird auch Zeiten geben, in denen das Thema wieder mehr en vogue ist. Und es gibt Märkte wie die Schweiz: Wenn ich gar nicht nachhaltig bin, muss ich dort nicht anklopfen. Zudem sind bei uns immer noch viele Stiftungen investiert, die eher konservativ sind und Wert auf einen entsprechenden ESG-Ansatz legen.
Der Frankfurter Stiftungsfonds wurde dieses Jahr in Long-Term Value Fund umbenannt und die Strategie in Richtung Multi-Manager-Value-Fonds angepasst. Wie kommt das im Vertrieb an?
Wir verwalten im Frankfurter Long-Term Value Fund derzeit 24 Millionen Euro. Die massiven Zuflüsse zeigen sich verständlicherweise noch nicht, dazu ist die Umstellung des Mandats noch zu frisch. Zudem ist der Wettbewerb viel intensiver geworden, es gibt eben viele gute Fonds, die um die Gunst der Investoren buhlen. Da gilt es erst einmal, entsprechende Beständigkeit zu liefern. Aktuell ist unser großer Vorteil, dass wir gegenüber dem MSCI World dieses Jahr eine schöne Outperformance erzielen konnten, was uns viel Interesse beschert. Aber ich bin nicht auf den MSCI World fixiert, schließlich finden sich im Index viele Sektoren, die gut gelaufen sind – etwa Öl, Gas, Mining, Minerals oder Rüstung –, die durch unsere ESG-Filter ausgeschlossen werden.
In welchen Bereichen nutzen Sie KI beziehungsweise wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Thema?
Im Fondsmanagement funktioniert aus meiner Sicht die KI auf Basis von Finanzdaten aktuell noch gar nicht. Alles, was wir probiert haben, ist Schrott. Wir haben selbst drei Programmierer, das klappt nicht. Aber es funktioniert in anderen Bereichen. Wir nutzen KI sehr erfolgreich für das Research über die Firmenkultur und Governance-Analysen und zapfen unterschiedlichste Quellen an. Dabei nutzen wir auch unterschiedliche KIs, da es bei allen Qualitätsunterschiede gibt.
Sie sind jetzt 61 Jahre alt. Was treibt Sie weiterhin an, und wie sichern Sie die Zukunft der Firma?
Leidenschaft fürs Investieren. Ich will so lange investieren, wie es geht – und parallel die Firma so ausbauen, dass sie ohne mich stark bleibt, was wir etwa auch mit der Chance einer Mitarbeiterbeteiligung nach fünf Jahren umgesetzt haben. Die Ziele sind Stabilität, Bindung und Unternehmertum im Team – damit die Organisation irgendwann einmal auch ohne mich reibungslos weiterläuft.
Vielen Dank für das Gespräch - GEORG PANKL FP